Kritiken

Vechta

Camping Forever erzählt die Geschichte von zwei Fremden und einem Wohnwagen

Das episodenhafte Theaterstück von Jan Schuba ist gespickt mit witzigen Dialogen. Die Aufführung ist eine Metapher auf das Leben und eine Hommage an Europa. Petra Nadolny reüssiert in 7 Rollen.
Christoph Heinzel | 25.01.2023

Jana Koch ist eine sympathische, offene, leicht chaotische Krankenschwester, Quasselstrippe. Und Reise-Vloggerin Wiebke trifft auf Lehrer Nils – organisiert, wenig spontan, intellektuell und mit Reiseschreibmaschine. Der nicht unsympathische Besserwisser und die empathische Chaotin müssen sich zusammenraufen, da sie den letzten verbliebenen Wohnwagen – das „Schwalbennest“ – für den gleichen Zeitraum gemietet und zugesprochen bekommen haben. Ein Fehler der Berliner Kodderschnauze Mandy Koch (Petra Nadolny). Das Ergebnis: Beide fahren gemeinsam auf eine 4-wöchige Europatour. „Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne“, meint Nils. Und Wiebke fährt fort: „Der uns beschützt und der uns hilft“. Nils meint dazu überrascht: "Sie kennen Hölderlin?" Worauf Wiebke nur meint: „Ich denke, es ist Hermann Hesse."

„Camping Forever“ heißt das Stück. Regisseur Jan Schuba inszenierte die Komödie von Frederik Holtkamp. Das Ensemble der „Komödie am Altstadtmarkt“ aus Braunschweig brachte nun das Gute-Laune-Stück ins Vechtaer Metropol-Theater. Die Geschichte entfaltet sich episodenhaft über kurzweilige Szenenbilder. Sie werden jeweils über landestypische Melodien und Radioschnipsel eingeleitet. Und so sitzen Wiebke und Nils auf einem Autobahnparkplatz in Südtirol, flirten im französischen Avignon, fackeln im österreichischen Zillertal im Liebestaumel fast den Wohnwagen ab, in Griechenland kommt Tochter Sophia zur Welt und im verregneten Schottland wird geheiratet.

Die Inszenierung spielt dabei mit Klischees und spitzt sie zu. So treffen wir in Frankreich auf eine Flirtlehrerin, die einen Ratgeber mit dem Titel "Die Kunst des Flirtens" geschrieben hat. Es ist herrlich zu beobachten, mit welch diebischer Freude Petra Nadolny hier den armen Nils auf die Probe stellt, der sich flirttechnisch unbedarft anstellt und sich daher entsprechend windet. In Griechenland ist es etwas durchwachsener. Als unglaublich freundlich und gastfreundlich dargestellt, sagt Sofia Kolidis (Petra Nadolny): „Wir müssen nur Steuern zahlen und sterben. Wobei – mit den Steuern nehmen wir es nicht so ernst.“ Es ist trotz allem eine liebevolle Hommage an die Vielfältigkeit, den Zusammenhalt und die Freiheiten Europas.

Den Schauspielern bei ihrem Wirken zuzusehen, ist ein Genuss. Akkurat und nuanciert spielen die drei sich gegenseitig die Bälle zu. Die dialogartigen Witze und Missverständnisse verstärken die Schauspieler gekonnt durch Gestik, Mimik und Aussprache. Petra Nadolny zeigte ihre Variabilität und Wandlungsfähigkeit in gleich 7 Rollen. Ludwig Hohl scheint der sympathische Spießer auf den Leib geschrieben. Wohingegen Jana Koch einen jungen, frischen, unbekümmerten, lebensfrohen menschlichen Wirbelwind mit einem VW Käfer namens Kröte sowie einem Reise-Vlog glaubwürdig, mitreißend und nahbar verkörpert.
Die Geschichte des Wohnwagens und der Reise ist durchaus eine Metapher für das Leben und aktuelle gesellschaftliche Entwicklungen. „Er hat meinen Namen angenommen, deswegen trägt er einen Rock“, meinte Wiebke nach der Hochzeit. Es ist ein Gute-Laune-Stück, das dem Besucher auch die Gelegenheit gibt, über einiges nachzudenken. „Als Mutter fehlen einem oft die erwachsenen Gesprächspartner“, sagt ebenfalls Wiebke kurz bevor die „Hölle Ausgang hat“, also die Schwiegermutter zu Besuch kommt.
Ein paar Fragen bleiben offen und werden leider nicht beantwortet. Was passiert beispielsweise mit der Karriere von Wiebke? Endet die Geschichte in der traditionellen Rollenverteilung mit Nils als Brotverdiener in einem traditionellen Job, und zwar als Redakteur bei einem Bildungsverlag? Trotzdem kann definitiv eines gesagt werden – und zwar mit einem abgewandelten Filmzitat, das Wiebke und Nils zum Start ihrer „Tour d'Europe“ prägen: „Ich glaube, es ist der Beginn eines ganz besonderen Urlaubs!“

Sehenswert, amüsant und ein klein bisschen nachdenklich

Die Komödie am Altstadtmarkt GmbH

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